Agroforstwirtschaft

Wenn man sich durch Brandenburg, aber auch andere ländliche Gebiete Deutschlands bewegt, sieht man überwiegend ausgeräumte Agrarlandschaften. Ökologisch betrachtet sind diese Landschaften mit Wüsten zu vergleichen. Dabei sah unsere Kulturlandschaft nicht immer so aus. 

Die historische Kulturlandschaft Mitteleuropas war lange Zeit geprägt vom Wechsel aus Wald- und Offenlandstrukturen. Wallhecken, Kopfbaumalleen, Streuobstwiesen, Hutewälder und halboffene Weidelandschaften sind Beispiele für Formen historischer Landnutzung, die Gehölze in die landwirtschaftliche Produktion integrierten. Im Rahmen der Flurbereinigung der 50er Jahre verschwand ein Großteil dieser Landschaftselemente. Das ist angesichts der Klimakrise fatal, denn die Vegetationsdecke hat einen starken Einfluss auf die regionalen Wasserzyklen und Wärmehaushalte. In jüngerer Zeit ist deswegen ein Umdenken bei vielen Landwirt*innen und im öffentlichen Diskurs zu beobachten – eine Rückbesinnung auf vielfältige Gehölzlandschaften.

Was ist Agroforstwirtschaft?

Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft DeFAF, Mitglied des NetzwerkWasserAgri, bezeichnet Agroforstwirtschaft als Landnutzungssysteme, bei denen Gehölze (Bäume oder Sträucher) mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung so auf einer Fläche kombiniert werden, dass zwischen den verschiedenen Komponenten ökologische und ökonomische Vorteilswirkungen entstehen (nach Nair 1993). Agroforste können verschiedenste Ausprägungen annehmen – von einfachen Gehölzstreifen zwischen breiteren Ackerflächen hin zu komplexen, mehrlagigen Systemen. Die Dauerkulturen sorgen für eine tiefe Durchwurzelung des Bodens, fördern den Humusaufbau und das Mikrobiom, reduzieren Bodenerosion und spenden Schatten und Schutz vor Starkwinden. In ihrem Holz und im Boden zu ihren Wurzeln wird Kohlenstoff gebunden. Zusätzlich können sie wertvolle Erträge in Form von Wertholz, Brenn- oder Energieholz sowie Nüssen, Obst und Beeren liefern.

Agroforst und Wasserretention

Die zunehmend beobachteten Extremwetter mit langen Dürreperioden und kurzen Starkregenereignissen sind eine Folge des Klimawandels, aber ebenfalls des Verlusts an Vegetation in den letzten Jahrhunderten. Sie stehen also auch in Zusammenhang mit Änderungen der Landnutzung. Denn Pflanzen tragen entscheidend zur Kühlung unseres Planeten und zur Erhaltung der Wasserkreisläufe bei, indem sie Sonnenenergie nutzen, um das über die Wurzeln aufgenommene Wasser durch die Verdunstung über ihre Blätter zu transpirieren. Ein Baum kann an einem heißen Tag mehrere hundert Liter Wasser über die Spaltöffnungen seiner Blätter abgeben. Dies sorgt bodennah für Verdunstungskühlung. In höheren Lagen sind diese Verdunstungsprozesse für die Entstehung von Niederschlägen verantwortlich.

Der Wechsel zwischen Gehölzen und Offenflächen verwirbelt zudem die Luft und bremst den Wind. Die Baumkronen schützen die umliegende Vegetation vor starker UV-Strahlung und spenden Schatten. So kann sich in Bodennähe ein stabiles Mikroklima ausbilden, das günstige Wuchsbedingungen für die benachbarten Kulturpflanzen schafft. Das abgeworfene Laub reichert den Boden mit Humus an und fördert das Bodenleben, was in Kombination mit einer intensiven Durchwurzelung die Bodenfruchtbarkeit steigert. Ein fruchtbarer Boden mit einem aktiven Mikrobiom kann mit seinen zahlreichen Mikro- und Makroporen große Mengen an Wasser aufnehmen und für die Pflanzen verfügbar halten. Dieser Bodenwasservorrat hilft der Vegetation auch längere Dürreperioden zu überstehen. In Hanglagen kann der Bodenabtrag durch Wassererosion reduziert werden. Ist der Bodenwasservorrat aufgefüllt, kann der Überschuss über die Tiefensickerung zur Grundwasserneubildung beitragen.

Wirtschaftlichkeit

Agroforstsysteme sind teurer und aufwendiger in der Etablierung, Bewirtschaftung und Pflege als reine Ackerkulturen und bedürfen einer langfristigen Perspektive. Neben den Bäumen an sich müssen auch Mittel für die Planung, die Pflanzung und nötige Baumschutzmaterialien eingeplant werden. Besonders in den ersten Jahren sind die Bäume in der Regel auf zusätzliche Bewässerung angewiesen. Weitere wichtige Pflegemaßnahmen sind ein regelmäßiger Erziehungsschnitt sowie die Kontrolle auf Krankheiten und Schädlingsbefall. Bei Ausfällen können Nachpflanzungen nötig werden.

Auf Pachtflächen kann die notwendige langfristige Flächenplanung durch die begrenzten Vertragslaufzeiten der Pachtverträge erschwert werden. Landwirt*innen gehen ein finanzielles Risiko ein, wenn die Weiternutzung nach Ablauf der Pacht nicht garantiert werden kann. Auch der Zustand der Pachtflächen bei der Rückgabe ist oft vertraglich festgelegt und gegebenenfalls kann eine Rückumwandlung nötig werden. Bei drainierten Flächen können Baumwurzeln zum Problem werden, wenn sie in bestehende Drainagerohre eindringen und diese verstopfen oder sprengen.

Die ökonomischen Vorteile von Agroforstsystemen liegen in einer hohen Flächenproduktivität und Mehrerträgen auf Flächen mit Hitze- und Verdunstungsstress. Auf verschiedenen räumlichen Ebenen können kurz-/mittel und langfristig Nahrung und andere Rohstoffe angebaut werden. Die Fläche wird somit optimal genutzt und die erweiterte Produktpalette kann landwirtschaftlichen Betrieben eine größere Flexibilität bezüglich ihrer Einnahmen ermöglichen. Die Integration von Gehölzen in die Bewirtschaftung ist eine wichtige Maßnahme zur Klimaanpassung des Betriebes und fördert seine Resilienz gegenüber zukünftigen Herausforderungen. Die erhöhte Biodiversität kann sich zum Beispiel regulierend auf den Schädlingsdruck auswirken, da sie den Aufbau von Räuber-Beute-Populationen fördert.

Mit der ab Januar 2023 in Kraft tretenden Agrarreform ist Agroforst nun auch im Rahmen der Agrarförderung offiziell als landwirtschaftliche Nutzung anerkannt. Die enge Definition förderungsfähiger Anlagen bzgl. der Anzahl, des Abstands und der Breite der Gehölzstreifen werden der Vielgestaltigkeit von Agroforstsystemen jedoch leider nicht gerecht. Zudem werden nur die vorhandenen Gehölzstreifen gefördert und nicht die gesamte Agroforstfläche. Eine Alternativ kann die Förderung durch Stiftungen oder private Organisationen sowie im Rahmen von naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen sein. Die Möglichkeiten für eine längerfristige Förderung sind hierbei jedoch begrenzt, da es sich meist um Einmalzahlungen handelt.

Vortrag von Forstwissenschaftler Philipp Gerhard

In einer Online-Veranstaltung des NetzwerkWasserAgri im Februar 2022 sprach Philipp Gerhard über Hochwasser und Dürreschutz mit Keyline Design. In der ersten Hälfte des Vortrags wird der Einfluss von Gehölzkulturen auf Dürre und Starkregen anschaulich erklärt.

Zu Maßnahmen

Eine Vielfalt an Systemen

Ganz grundsätzlich werden Agroforstsysteme in 3 Nutzungskonzepte eingeteilt. In silvoarablen Systemen stehen Baumreihen im Wechsel mit Ackerkulturen, wie Getreide oder Ölsaaten. Silvopastorale Systeme kombinieren Bäume mit Tierhaltung. Agrosilvopastorale Systeme vereinen alle 3 Nutzungsformen auf einer Fläche. Pflanzmuster, Sortenwahl und Erntezyklen richten sich nach:
- den Standortbedingungen (Bodenart, Niederschlag, Frostgefährdung, Nährstoffverfügbarkeit, Grundwasserstand), - dem Produktionsziel (Frucht- oder Wertholzproduktion)
- und den erwünschten Umweltleistungen (Artenvielfalt, Windschutz, Wasserretention, Humusaufbau, Landschaftsbild)

Heute werden Agroforste meist als Alley-Cropping angelegt, bei denen sich Acker- oder Weideflächen mit Baumreihen abwechseln. Diese Variante ist gut skalierbar und leicht in schon bestehende Bewirtschaftungskonzepte zu integrieren, da die Flächen zwischen den Baumreihen weiterhin wie gewohnt maschinell bewirtschaftet werden können. Im Kurzumtriebs-Alley-Cropping werden die Baumstreifen eng mit schnellwachsenden Gehölzen, wie Pappel oder Weide bepflanzt, die in Abständen von 3-6 Jahren auf den Stock gesetzt werden. Die Ernte kann in Form von Hackschnitzeln zur Energiegewinnung genutzt werden oder als Rohstoff für die Holzwerkstoffindustrie dienen. Für die Wertholzgewinnung sind die Umtriebszeiten deutlich länger und die Abstände zwischen den Bäumen größer. Kirsche, Walnuss und Robinie liefern hochwertiges Holz, wobei der Anbau der besonders widerstandsfähigen Robinie aufgrund ihrer Ausbreitungstendenz momentan rechtlich erschwert ist.

Neben Nutzholz lassen sich natürlich auch Obstbäume und -sträucher in eine Agroforstwirtschaft einbauen. Apfel, Birne, Quitte, Kirsche und Pflaume, aber auch bisher weniger übliche Arten wie Pfirsich oder Aprikose können vielfältig weiterverarbeitet oder unkompliziert als Rohprodukte vermarktet werden. Neben den gängigen Kultursorten nimmt auch der Anbau von Wildobst an Beliebtheit zu. Mispeln, Aroniabeeren, Kornellkirschen oder Holunder sind wahre Superfoods und in der Regel weniger pflegebedürftig. Die Kultivierung von Nüssen und Mandeln als regionales Pendant zu oft nicht unproblematischer Importware ist ebenfalls interessant. Besonders die Esskastanie wird inzwischen gerne gepflanzt. Sie eignet sich auch für trockene Standorte und produziert stärkehaltige Früchte mit einem hohen Energiewert.

Auch in Verbindung mit Tierhaltung bringen Gehölze Vorteile mit sich. Sie spenden Schatten in sommerlicher Hitze und bieten Windschutz an kühlen Tagen. Hühner fühlen sich in Gehölzstreifen wesentlich wohler als im Offenland und können dazu beitragen den Schädlingsdruck, zum Beispiel im Obstbau, zu regulieren. Futterlaub aus vielfältigen Hecken und Baumreihen kann eine wertvolle Nahrungsergänzung für Rinder oder Ziegen sein. Je nach Design können Agroforstsysteme auch einen wertvollen Lebensraum für Wildtiere und -pflanzen darstellen. So können Bäume und Sträucher Vögeln als Nistplätze und Singwarten dienen, während bestäubende Insekten vom erhöhten Nektar- und Pollendargebot durch die Gehölze und deren Begleitvegetation profitieren.

Die Gehölzstreifen können einreihig oder mehrreihig angelegt werden. Eine Ausrichtung quer zum Hang oder entlang der Schlüssellinien fördern den Wasserrückhalt. Sollen die Baumreihen vor allem als Windbremse dienen, macht es Sinn sie quer zur Hauptwindrichtung zu pflanzen. Werden die Flächen zwischen den Baumreihen maschinell bearbeitet, müssen die entsprechenden Arbeitsbreiten und -wege bei der Planung berücksichtigt werden. Das Einmessen der Fläche mittels GPS kann hier die nötige Genauigkeit gewährleisten. Um zu verhindern, dass die Baumstreifen im Wurzelraum mit den Kulturpflanzen in Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser treten, kann ihr Wurzelwachstum durch einen regelmäßigen Wurzelschnitt entlang der Ackergrenze begrenzt werden. Dies ist besonders bei Baumarten mit einem intensiven Flachwurzelsystem nötig. Einer ungewollt starken Beschattung wirkt ein gelegentlicher Auslichtungsschnitt entgegen.

Eine Vielfalt an Systemen

Der DeFAF, unser Projektpartner und Mitglied im NetzwerkWasserAgri stellt auf seiner Webseite umfassende Informationen rund um die Agroforstwirtschaft bereit und hat hilfreiche Tools entwickelt, die interessierte Landwirt*innen bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen. So kann mit dem AgroforstRechner die Wirtschaftlichkeit einer Flächenplanung kalkuliert werden und das Meta-AfS-Werkzeug hilft bei der Bewertung von Flächenpotenzialen. Letzteres ist derzeit nur für Flächen in Brandenburg verfügbar. Die Agroforst-Landkarte soll eine Übersicht über bestehende oder geplante Agroforstflächen, Dienstleister und wissenschaftliche Institutionen bieten.

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